Auszugsmelancholie

Donnerstag, 12.02.2015

Hallo liebe Leser :)
Hier ein weiterer Eintrag in meinen Blog, immer noch aus Deutschland, aber schließlich möchte ich meine Geschichte relativ vollständig festhalten, also gehören natürlich der anstehende Auszug und die damit verbundenen Emotionen dazu. Den folgenden Text habe ich heute nach einem Spaziergang in einem Moment voller Melancholie und Erinnerung an die vergangene Zeit in Koblenz geschrieben und deswegen kann es sein, dass er stellenweise irgendwie durcheinander oder super theatralisch ist. Aber ich habe einfach mal komplett aufgeschrieben, was heute während dem Spaziergang so in mir vorging:

Der heutige Tag war echt lang. Er fing damit an, dass das Haus wackelte und vibrierte. 07:40. Die Bauarbeiter, die hier arbeiten seitdem ich eingezogen bin, beginnen die Straße aufzureißen. Wie sie es in den letzten 2 Wochen jeden Morgen zwischen 7 und 8 Uhr begannen. Soll ich noch kurz liegen bleiben? Nein, steh auf, du musst noch deine Hausarbeit schreiben. Ich gehe runter in die Küche, möchte mir einen Kaffee machen. Eine meiner Mitbewohnerinnen ist schon wach... Kaffee und ein Brot, leider nur mit Erdnussbutter, weil Nutella ist leer und ich wollte mir jetzt für die letzte Woche kein neues Glas mehr kaufen, da ich es eh nicht leer bekommen hätte. Wann hat meine Familie aufgehört mir Nutella zu schenken? Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich am ersten Weihnachten nach meinem Auszug von nahezu jedem ein riesiges Glas "braunes Gold" geschenkt bekommen habe. Ich liebe es jeden Morgen genüsslich in ein Nutellabrot zu beißen. Als mir das klar wird, frage ich mich, wie ich es wohl schaffen werde 6 Monate lang in Schottland nur sehr wenig Nutella, wenn überhaupt, zu essen...

 

All das geht mir noch einmal durch den Kopf, als ich da so am Rhein entlang ging, so wie ich es schon unzählige male getan habe. Der Anblick des Rheins, der Festung, des Denkmals auf dem Deutschen Eck, wo die Mosel in den Rhein fließt. Es ist jedes mal ein Genuss für mich. Am schönsten ist dieser Anblick beim Frühstück, am meisten wenn die Sonne im perfekten Winkel auf die Festung scheint. Wer lebt mit Blick auf die Festung Ehrenbreitstein außer mir? Bestimmt nicht allzuviele... Bestimmt nicht viele, die diesen perfekten Ausblick von ihrem Frühstücksplatz aus haben...

Ich gehe weiter, sehe die kleine Treppe die mich nach unten ans Ufer führt, an ein kleines Stück steinigen Strand. Ich hole einen flachen Stein in die Hand und versuche ihn über das Wasser, das von den Wellen eines großen Frachters bewegt wird, springen zu lassen. 1, 2, öfters gelingt es mir heute nicht. Wie oft ich hier schon gestanden habe. Einmal habe ich hier für eine Prüfung gelernt, im Sommer, im wärmenden Sonnenschein. Ich sehe schon die Reiterstatue auf dem Deutschen Eck.

Wahnsinn, dass schon über 2 Jahre in Koblenz vergangen sind. Ich weiß noch genau, wie die erste Woche war: super anstrengend! Jeden Tag Programm ohne Ende, lauter neue Menschen, WG-Leben... In den ersten 2 Wochen kaum Schlaf! Fast hätte ich abgebrochen, aber ich habe mich durchgebissen und jetzt schon das 5. Semester gemeistert. Ich habe mein Latinum gemacht und schon fast alle Module abgeschlossen. Bin ich wirklich schon 2 Jahre älter geworden?? 20? Ich fühle mich eigentlich noch so jung. Und doch komme ich mit jedem vergangen Tag meinem Uniabschluss und dem Start meines zukünftigen Lehrerdaseins ein Stückchen näher.

Auszug. Eigentlich sollte ich packen. Schließlich ziehe ich in 3 Tagen aus. Aber ich möchte es noch nicht. Zu viele schöne Erinnerungen hängen an diesem Haus, dieser Wohnung, diesem Zimmer. Wie viele unvergessliche Momente habe ich hier erlebt? Einige fallen mir sofort ein: Mäuse in den Einbauschränken, die wahrscheinlich ungemütlichste, unruhigste Nacht deines Lebens... Hochwasser, das fast bis zum Haus ging... jedes Jahr eine schöne Geburtstagsüberraschung... schöne Abende beim gemeinsamen Greys Anatomy oder GNTM gucken... Rhein in Flammen... Silvester am Rhein... gemütliche Wochenenden... Das Haus ist einfach so wunderbar alt, so voller Charme! Undichte Fenster hatten wir hier. Einmal hat es nur so herein geregnet, wir hatten Pfützen in der Küche und die Watte fiel zwischen Balken und Fenstern heraus. Die Antwort des Vermieters: Steck 'ne Socke rein! Mittlerweile neue Fenster, die dicht sind...

Ich habe viele Mitbewohnerinnen kommen und gehen sehen. Jede war auf ihre eigene Art besonders. Manche werden mir besonders im Gedächtnis bleiben, andere werde ich wohl nicht vermissen. Manchmal war der WG-Alltag nicht so schön, manchmal war es sogar richtig ätzend, manchmal haben auch Gespräche zu keiner Verbesserung beigetragen. Sich irgendwie unwohl im eigenen Zuhause fühlen ist nicht schön.

Eigentlich will ich nicht packen, aber ich muss wohl. Morgen werde ich es mit einer Freundin zusammen anpacken. Dann bin ich schon alleine hier. Heute war der letzte WG-Abend, leider keine Abschiedsparty. Naja was will man machen. Traurig wenn an Weiberfastnacht niemand Zeit hat mit einem feiern zu gehen. Wenigstens habe ich es heute geschafft meine Hausarbeit fertig zu schreiben, jetzt fehlt nur noch der Feinschliff!

Ich gehe wieder nach oben auf die Wiese und sehe den Spielplatz. Hier lässt es sich wunderschön Schaukeln, mit Blick auf den Rhein und die Festung. Ich bleibe kurz sitzen und habe feuchte Augen. Koblenz ist schön. Ich bin froh es meine zweite Heimat nennen zu dürfen...

So, das war mein kleiner, melancholischer Text. Es fühlt sich im Moment einfach so unreal an, dass ich in wenigen Tagen nicht mehr hier in der WG wohne. Weiß auch nicht. Zum Abflug sind es auch nur noch 2 Wochen. Die Mitbewohnerin,die mit mir zusammen auszieht, hat heute schon in der Küche ihre Sachen zusammengepackt. Es war ein so komisches Gefühl zu wissen, dass wir in den kommenden Semestern nicht mehr zusammen wohnen (wir wohnten hier von Beginn an zusammen und sie kommt ursprünglich sogar aus meinem Nachbarort. Super witzig, dass wir uns zu Beginn unseres Studiums kennen gelernt haben und es sich sogar herausgestellt hat, dass wir im selben Kindergarten waren!). Ich bin jedenfalls froh für die Zeit, die ich hier hatte! Danke für 2 schöne Jahre WG-Leben im schönsten Hexenhaus Deutschlands. ♥

Die Frage des Tages: Was macht ihr, wenn ihr traurig seid? Schreibt's in die Kommentare :) Ich freue mich auf eure Antworten!